Eindrücke aus Tamatave

Liebe Leserinnen und Leser

Nach einer langen, durch Corona bedingten Absenz, durfte ich das Bethany-Spital bzw. Esther und Thomas Beck zum zweiten Mal in Madagaskar besuchen. Wieder war es ein Ankommen in einem Land mit Menschen voller Herzlichkeit und Spontanität, ein Heimkommen für meine Seele und mein Herz.

Ich war überrascht, dass die Corona-Zeit und deren wirtschaftliche Folgen, die Madagaskar ungemein stark getroffen haben, für mich nicht erkennbar waren.

Die Madagassen sind fröhliche, zuvorkommende Menschen geblieben. Welch ein Unterschied zu uns Schweizer, denen die Empathie, die Schaffens- und Lebenslust, durch die Krisen und Unsicherheiten, die wahrscheinlich die wenigsten von uns aus unserer Komfortzone geworfen haben, doch stark verloren gegangen sind: Bei uns sind oft « nicht nur die Temperaturen kalt».

Mit mir zusammen waren Lucie Geng aus Thun (Fachfrau Gesundheit) und das Ehepaar Lisa und Andi Schneider aus Biel in Tamatave anwesend. Während Lisa als Ärztin (Innere Medizin) im Spital arbeitet, betreut ihr Ehemann Andi als Architekt das Bauprojekt für das neue Bethanys-Spital. Lucie Geng wollte als junger Mensch einen Einblick in eine andere Kultur und in ein anderes Gesundheitswesen haben. Sie hat wahrlich die Herzen der Madagassen erobert und auch die nachfolgenden Interviews geführt.

Mir war bewusst, dass ich als Physiotherapeut während meinem Kurzeinsatz kaum etwas realisieren kann, das nachhaltige Spuren hinterlassen wird, aber versuchen konnte ich es.

Trotzdem war und ist es wichtig, Esther und Thomas in ihrem Schaffen, welches oft nicht einfach ist und vielfach Verzicht bedeutet, mit unserer Präsenz und unserer Empathie jene Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die sie verdienen. Ich wünsche mir, egal ob vor Ort oder in der Schweiz, dass das Feuer für das Bethany Spital und die Einheimischen in uns weiter kräftig lodert.

Liebe Esther, lieber Thomas, ihr macht das unglaublich toll. Danke für euer Engagement!

                Dieter Neeser

 

Langzeiteinsatz

Wie im letzten Newsletter angekündigt berichte ich über das neu eingetroffene Ehepaar Schneider aus Biel, welches mehrere Monate in Tamatave arbeitet.

Ich hatte das grosse Vergnügen mit Lisa, einer Oberärztin der Inneren Medizin und ihrem Ehemann Andi, Architekt, ein Interview zu führen. Das Wagnis der Beiden sich einer anderen Kultur zu öffnen, aus Bekanntem auszubrechen und sich dabei auch selbst neu zu erfahren und sich neuen Heraus-forderungen zu stellen, fasziniert und beeindruckt!

Lisa hatte bereits als Kind den Wunsch, nach Afrika zu gehen und dort zu «helfen». Ihre Oma sei im Dschungel in Afrika gross geworden. Das habe sie sehr fasziniert und dies sei ein Grund für das Medizinstudium gewesen. Sie habe bemerkt, wie gut es uns in der Schweiz gehe, auch mit der medizinischen Versorgung, die weltweit doch sehr ungleich verteilt ist. Ihr sei es wichtig gewesen, den Menschen hier unter diesen Umständen zu begegnen und zu sehen, wie sie selber durch diese Begegnungen geprägt würde. Sie durfte bereits andere Einsätze, unter anderem auch in Pakistan erleben, daher kenne sie die Arbeitssituation mit limitierten Ressourcen bereits.

Von Becks und ihrer Arbeit in Madagaskar habe sie durch gemeinsame Freunde gehört. Zuerst hätte sie sich mit ihrem Ehemann bei anderen Organisationen für einen Arbeitseinsatz beworben. Diese hätten nicht wirklich gepasst, da sie wenig mit den Menschen direkt zu tun gehabt hätte und sie mehr in organisatorischen Bereichen tätig gewesen wäre. Becks hätten ihnen für ihren Einsatz «Tür und Tor» geöffnet. Die Haupterwartung für sie in Madagaskar sei vor allem herauszufinden, ob die Arbeit im Ausland etwas Längerfristiges darstellen könne und wie sie davon berührt und verändert werden würde. Zudem wolle sie erkennen und verstehen, wie die Menschen umgehen können mit der Armut, mit der medizinischen Unterversorgung und dem Tod, welcher hier natürlicher ins Leben eingebunden sei, als in unserer Kultur. Schwierige Arbeitssituationen bespreche sie zur Verarbeitung mit den Spitalvorgesetzten, emotionale Eindrücke verarbeite sie mit der Unterstützung ihres Ehemannes.

Die Patienten seien unglaublich dankbar und freundlich, sie schätze diese grosse Offenheit und Herzlichkeit. Die Arbeit bereite ihr hier viel Freude, sie könne viel lernen und ihren Fokus erweitern. Schwer falle es ihr, die Gleichgültigkeit der Patienten gegenüber ihrer eignen Gesundheit zu erleben. Herausfordernd sei, dass hier alles lange Zeit braucht, um sich zu verändern. Andererseits seien die Menschen hier sehr talentiert, das Beste aus den jeweiligen Situationen zu machen.

Bei ihrem Arbeitseinsatz wünscht sie sich, dass sie das differentialdiagnostische Denken des medizinischen Personals anregen und deren Neugier für Neues wecken könne. Es wirke auf sie so, wie wenn die Einheimischen manchmal gefangen seien und sich vieles nicht zutrauen. Auch gehöre es zu ihrer Aufgabe, die Spitalabläufe zu überarbeiten.

Sie wünscht allen Menschen aus ganzem Herzen, dass sie die Hoffnung nicht verlieren und lernen, an sich und ihren einzigartigen Fähigkeiten zu glauben. Für alles, was sie hier erfahren und erlernen dürfe sei sie unendlich dankbar.

 

Andi erzählt mir, dass die Gewöhnung an die Kultur momentan seine grösste Herausforderung sei. Auch nach den bisherigen 2 Monaten sei dies nicht abgeschlossen und immer wieder von neuen Eindrücken und Erkenntnissen geprägt. Um sich besser verständigen zu können, besuche er hier Französisch-lektionen, während seine Frau Lisa madagassisch lerne.

Der christliche Glaube würde sie beide stark unterstützen und würde ihm und seiner Frau ausreichend Kraft für alle Herausforderungen geben.

Das Beeindruckendste für ihn sei, zu sehen mit welcher Fröhlichkeit die Menschen hier unter diesen unvorstellbaren Umständen leben. Es könne, so seine Meinung, nicht bloss aufgesetzt sein, so stark wie dies ausgelebt werde.

Er als Architekt habe sich an die lokalen Umstände (auf die Struktur und Bauten der Häuser bezogen) erst gewöhnen müssen. Nun helfe er hier bei der Planung des neuen «Bethany Hospital» – alles auf freiwilliger Basis. Er mache dies sehr gerne und er könne so seinen Horizont erweitern.

Andi hat ein grosses Ziel vor Augen, welches er in diesen 6 Monaten erreichen möchte. Er möchte alles nach den internationalen Richtlinien der WHO und UNO planen und den Spitalbau so vorbereiten, dass alles übereinstimme und das Vorprojekt stehe, wenn er im Februar 2023 wieder abreise.

Beide haben viel Zeit mit Thomas Beck verbracht und er und Lisa seien sich einig, dass Thomas hier Unglaubliches bewirke und er hier mit seiner menschlichen Art letztlich den «Unterschied» mache. Thomas sei hier am richtigen Ort, er hätte seine Berufung gefunden. Stets könne man sich auf ihn verlassen und er helfe, wo er könne. Es sei beeindruckend, wie er alles mit grosser Ruhe und innerlicher Gelassenheit tragen könne.

                        Lucie Geng

Hilfe, die ankommt – ein Fallbericht

Soavina (Name geändert), eine Patientin, die an einem Brustkrebs litt und deswegen im Spital Bethany operiert wurde, ermöglichte mir einen Einblick in die Aufteilung der Betreuungsaufgabe zwischen Pflegepersonal und Angehörigen zur erhalten.

Soavina suchte das in ihrem Stadtteil gelegene Spital Bethany aufgrund starker Schmerzen und einer grossen Schwellung im rechten Brustbereich auf. Bereits seit einem Jahr litt sie darunter, wollte aber aus finanziellen Gründen und in der Hoffnung, dass die Schmerzen spontan weggehen würden, mit einem Arztbesuch zuwarten.

Letztlich war aber eine Operation unumgänglich. Während des Spitalaufenthaltes wurde sie von ihren Angehörigen betreut, die sich alle 24 Stunden mit einer Schicht abwechselten.

Eine postoperative Schwellung im rechten Arm (einige Lymphknoten wurden entfernt) wurde durch eine entsprechende Lagerung und Muskelkontraktionen durch Kneten eines Schaumstoffstückes therapiert. Nach sechs Tagen konnte die Patientin das Spital in gutem Allgemeinzustand verlassen – glücklich, dass sie nun wieder schmerzfrei war.

Anders als in der Schweiz pflegen die Angehörigen die Patienten und kochen ihnen auch das Essen und verbringen mit ihnen die ganze Zeit, entweder sitzend auf einem Stuhl oder auf dem Boden schlafend. Die Pflegedienste sind (nur) verantwortlich für die Überwachung und Wundpflege und verabreichen die verordneten Medikamente.

                                                                                                                                                                                Lucie Geng

Weiterbildung, die Spass macht

Während meiner Anwesenheit im Spital war es mir gegönnt, für das gesamte Spitalpersonal Weiterbildung zu gestalten. Dies zu Themen wie Patientenlagerung, Mobilisation und Atemtherapie.
Thomas war sehr bedacht, dass aus diesen Weiterbildungen eine Nachhaltigkeit resultiert: So zieren jetzt über jedem Spitalbett Schemata, welche die wichtigsten Merkpunkte enthalten, damit diese von den Pflegern erklärt und dann von den Angehörigen umgesetzt werden können.

Die Weiterbildung gestaltete sich so, dass ich Thomas den Inhalt auf Schweizerdeutsch vorgetragen habe (mon francais est très malade) und er dies theatralisch auf madagassisch übersetzt und ausgeschmückt hat. Wahrlich, in ihm ist auch ein Komödiant verloren gegangen!
Was waren dies für lustige Weiterbildungen! Wir haben zusammen so viel gelacht und – wie auch bei Schweizer Patienten – uns beim Gehen mit Unterarmstützen «die Zähne ausgebissen».

Dieter Neeser

Grusswort von Esther und Thomas Beck

Wir möchten euch für euer Interesse und eure Unterstützung herzlich danken. Wir sind glücklich, dass wir dadurch in den verschiedenen Bereichen des Spitalhilfeprojektes Bethany Hospital Center tatkräftig mithelfen können. Vielen, vielen Dank!

Herzliche Grüsse und eine schöne Weihnachtszeit wünschen Euch

Esther und Thomas Beck
und der ganze Vorstand des Vereins Fokus Madagaskar

 


Vorankündigung: ordentliche Mitgliederversammlung

Datum: Freitag 31.März 2023 um 19.30 Uhr im Restaurant Burehuus, Thun