Eindrücke aus Tamatave

Nach einer wilden Fahrt mit dem Tuctuc durch das Gewusel der Grossstadt erreicht man das kleine Spital an einer lebhaften Durchgangsstrasse.

Die Raumverhältnisse erscheinen sehr knapp bemessen, aber funktionell. Eindrücklich, was aus einer alten Reishalle entstehen kann!
Das Personal hinterlässt einen freundlichen und kompetenten Eindruck (u.a. dank der Weiterbildung durch Thomas), aber Effizienz und Pünktlichkeit entsprechen nicht unserer Kultur.

Überall finden wir Material aus der Schweiz, welches sinnvoll eingesetzt wird.
Die Geburtshilfe nimmt in diesem Spital einen wichtigen Stellenwert ein. Kaiserschnitte sind auch hier die häufigste Operation.
Den Laparoskopieturm (Videochirurgie) konnten wir zum ersten Mal einsetzen.

Christine half, eine riesige Lagerhalle neu zu organisieren und Material aus den Containern zu sortieren.

Leider muss auch viel altes Material weggeworfen werden, welches ohne vorangehende Absprache aus verschiedenen Ländern nach Afrika «gespendet» wird (z.B. lange abgelaufene Medikamente).
Einwegmaterial beispielsweise führt zu einem Abfallproblem.

Die Entsorgung im ungefilterten, gelblich rauchenden Spitalofen erscheint problematisch, aber alternativlos. Es besteht immerhin ein neues Projekt für die Entsorgung.

Daneben erhielt Christine Einblick in das Nähprojekt von Esther. An verschiedenen Tagen kommen aktuell 18 Frauen in verschiedenen Gruppen in den Genuss einer kompetenten Nähausbildung in einem bestens eingerichteten Nähzimmer.

Es herrscht eine lockere Stimmung und auch ein Zvieri mit Gesprächen über Gott und die Welt darf nicht fehlen und wird geschätzt.


Der Lebensstandard in der Stadt erscheint etwas höher als im ländlichen Mandritsara, aber die Schere zwischen arm und reich ist auch grösser.

Armut ist überall sichtbar. Esther und Thomas leisten auch an diesem Ort einen riesigen Einsatz zugunsten der benachteiligten Bevölkerung.

Wir staunen über die rasche Entwicklung des Spitals in kurzer Zeit und hoffen, diese Entwicklung mit dem Aufbau einer grösseren Infrastruktur weiter voranzutreiben.

Christine und René Stouthandel

Erlebnisse eines Medizinstudenten

Im Frühjahr fragte mich (Noel Schürch aus Steffisburg, Medizinstudent im 5. Ausbildungsjahr) René, ob ich im Sommer Zeit und Interesse hätte, ein ganz anderes Gesundheitssystem kennen zu lernen.

Er erzählte mir, dass er für 3 Wochen mit Christine nach Tamatave reisen wird, um dort Esther und Thomas zu besuchen. Im Hopitaly Bethany wollte René den madagassischen Chirurgen Dr. Fabruce ablösen, damit dieser nach langer Zeit wieder mal in den wohlverdienten Urlaub fahren kann. Für mich als Medizinstudent bot sich so eine einmalige Gelegenheit. Ich war sehr interessiert und entschied mich, schlussendlich dieses Abenteuer zu wagen. Für mich war es das erste Mal in Afrika.Wir kamen Freitag abends mit dem Flieger in Tamatave an und wurden von Thomas Beck und Timothy, dem Ambulanzfahrer des Spitals, abgeholt und zum Hotel Océan 501 gebracht, wo wir für die nächsten 2 Wochen blieben.

Am ersten Wochenende besuchten wir den Markt und Esther und Thomas führten uns durch die Stadt. Thomas zeigte uns das Hopitaly Bethany, das sie in einer früheren Lagerhalle errichtet haben. Er stellte uns den Mitarbeitern und Dr. Fabruce, dem Leiter des Spitals vor. Fabruce schätzt Thomas sehr als Freund und als ärztlichen Kollegen.

Ich war ziemlich überrascht: Im Spital ist alles sehr eng und es herrscht Platzmangel, trotzdem war das Spital mit sehr vielem ausgerüstet. Thomas erklärte uns, wie sie hier arbeiten und operieren, das hat mich wirklich beeindruckt. Ich konnte mir das gar nicht vorstellen, kannte ich doch bis jetzt nur Schweizer Spitäler.

Am Montag gingen wir dann für unseren 1. Arbeitstag ins Spital. Christine und ich machten uns an die Herkulesaufgabe, das Spendenmaterial mehrerer Container zu sortieren und einigermassen logisch in bereits bestehende Regale einzuräumen. Was wir in einigen Kisten vorfanden, hat uns schockiert. Wir fanden sehr viel Material, das nicht mehr brauchbar war. Nach dem Motto: was Europa nicht mehr brauchen kann, findet in Afrika sicher noch Verwendung. Leider mussten viele Medikamente verbrannt werden.

Die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Maintenance (Unterhalt) war manchmal herausfordernd für uns. Wir konnten aber innerhalb einer Woche, dank des grossen Einsatzes von Christine, einen grossen Teil des Materials sortieren und ein System aufbauen, das hoffentlich weitergeführt werden kann.

In den folgenden Tagen konnte ich Thomas jeweils während der Sprechstunden begleiten und bei den Operationen assistieren. Thomas ist sowohl internistisch wie auch als chirurgisch tätig und deckt damit ein sehr breites Spektrum ab. Die Patienten, die er behandelte, kamen mit den unterschiedlichsten medizinischen Problemen. Leider kamen die Patienten oft, wenn es bereits (fast) zu spät war. Eine Patientin hatte aufgrund einer unbehandelten Karies einen riesigen Abszess an der Wange und am Hals entwickelt, was ihr fast verunmöglichte, zu essen, da sie ihren Mund nicht mehr richtig öffnen konnte.

Wie einfach man doch ein Loch im Zahn in der Schweiz flicken könnte! Thomas hat mir in diesem Zusammenhang erklärt, dass die Menschen für den Zahnarzt kein Geld bezahlen wollen oder können. Im Spital selbst hat es einen Zahnarzt und die Zahnsanierung wäre kein Problem. Übrigens liess sich Esther für insgesamt CHF 25 selber einen Zahn flicken und füllen.

Die Inflation und die Teuerung machten sich im Spital stark bemerkbar. Es gab weniger Patienten und wenn sie kamen, meistens erst sehr spät.
René konnte mit Hilfe von Dr. Fabruce die erste Laparoskopie durchführen. Noch fehlen aber geeignete Instrumente, um die Laparoskopie routinemässig durchführen zu können. Diese werden in der Schweiz organisiert.
Ich bin beeindruckt, mit welchen Mitteln Thomas und das Team am Hopitaly Bethany arbeiten.

Auch mit einfachen Mitteln kann gute Medizin geboten werden. Trotz der grossen Armut scheinen die Madagassen glückliche Menschen zu sein.

Die kurze Zeit in Madagaskar hat mir wieder vor Augen geführt, wie dankbar wir sein dürfen in der Schweiz zu leben. Uns fehlt es wirklich an nichts.
Ich bewundere Esther und Thomas Beck, wie sie sich für die Menschen im Land einsetzen. Ihr Engagement in Tamatave wird sehr geschätzt und es ist grossartig, was die beiden dort leisten.

Es ist schön zu sehen mit welcher Hingabe sie arbeiten. Ich bin sehr dankbar, durfte ich sie kennenlernen und ich konnte sehr viele gute Erfahrungen sammeln.

Noel Schürch

Hilfe, die ankommt – ein Fallbericht

Als Rasonavelona ins Spital gebracht wurde dachte ich, dass wir ihm nicht mehr helfen könnten und er bald sterben würde.
Er kam im Koma mit hohem Fieber. Grund dafür war ein entgleister Diabetes und ein seit Monaten schwelender Infekt des rechten Fusses, der sich zunehmend Richtung Knie ausbreitete.

Der Fuss war bereits schwarz bis zum Knöchel. Er sollte schnellstmöglich amputiert werden, aber der Allgemeinzustand erlaubte dies nicht. Er lag dann mit einer antibiotischen Therapie fünf Tage auf unserer Notfallstation.
Da sich jedoch sein Allgemeinzustand nur wenig besserte, insbesondere auch weil durch den abgestorbenen und infizierten Fuss auch weiter Bakterien im Körper verteilt wurden, entschieden wir uns dann nach Absprache mit den Angehörigen trotz hohem Operationsrisiko eine Amputation des Beines bis oberhalb des Knies durchzuführen, was er Gott sei Dank gut überstand.

Anschliessend erholte sich der Patient rasch und konnte nach einer Woche bereits wieder sitzen und sprechen. Nach 4 Wochen war er wieder soweit bei Kräften, dass er mit einem Rollstuhl nach Hause entlassen werden konnte.

Überglücklich wurde er von den Angehörigen abgeholt und verliess dankbar das Spital. Der Spitalaufenthalt, die Operation, die Medikamente und die Kosten für den Rollstuhl überstiegen aber bei weitem seine finanziellen Möglichkeiten.

Dank dem Geld aus dem Armenfond konnten wir ihn aber trotzdem behandeln. Es ist gerade auch für mich als Arzt so hilfreich, dass ich nicht auf Behandlungen verzichten muss, weil ich weiss, dass wir für Härtefälle eine Hilfsmöglichkeit haben.

Langzeiteinsatz Lisa und Andi Schneider

Am 1. September wird ein junges Ehepaar aus Biel für mindestens sechs Monate nach Tamatave kommen.
Lisa ist Ärztin (Innere Medizin) und wird im Spital mitarbeiten, Andi ist Architekt und wird das Bauprojekt begleiten und mitgestalten.

Wir freuen uns riesig, euch im nächsten Rundbrief die beiden und ihre Arbeit ausführlicher vorstellen zu können.

Das Ehepaar wird im gleichen Haus wohnen wie wir. Im Dezember-Rundbrief werden wir wieder über unsere Situation und die Spitalentwicklung berichten.

Wir grüssen euch herzlich

Esther und Thomas Beck