Wenn einer eine Reise tut…

Seit einigen Jahren darf ich die Arbeit von Esther und Thomas Beck verfolgen und mich im Fokus Madagaskar engagieren.
Nun war es mir vergönnt, die Beiden am neuen Einsatzort in Tamatave/Toamasina zu besuchen.
So dachte und plante ich zumindest:
aus familiären Gründen mussten die Beiden kurzfristig in die Schweiz zurückreisen. Meine Reise habe ich aber trotzdem angetreten und wurde von ihren Freunden all die Zeit wunderbar getragen. Merci!

Meine Möglichkeit mein privates Umfeld, den Betrieb und Arbeitsplatz einfach für ein paar Tage loszulassen, mir die Auszeit und Reise gönnen zu können, erachte ich als Freiheit und stellt ein Privileg dar: wir Schweizer haben den Luxus, zumindest gegen aussen weitgehend frei zu sein. Für manche Menschen mag Freiheit etwas anderes bedeuten. Diese Menschen träumen von einer Freiheit ohne Krieg, ohne Hass; träumen von gelebten Menschenrechten und erhoffen sich Toleranz und ein zumindest existenzsicherndes Einkommen.

Das Engagement und der Austausch, wie es durch Esther und Thomas Beck vor Ort in Madagaskar geschieht, erachte ich als den richtigen Weg. Denn Afrikas Zukunft ist auch Europas Zukunft.

In meiner Reise durfte ich dem helvetischen Takt, immer pünktlich sein zu müssen, entfliehen. Daraus resultierten eindrückliche Beobachtungen und bewegende Begegnungen.
Hiervon möchte ich Euch gerne berichten.

Dieter Neeser, Vorstandsmitglied

Mein Schweizer-Blick, Besuch im Bethany-Spital, Toamasina

In diesem Spital, einem Arbeitsort von Esther und Thomas, wurde ich vom medizinischen Direktor und Chirurgen Dr. Fabruce herzlich willkommen geheissen.

Der noch junge madagassische Arzt strahlt etwas Charismatisches aus.

Seine Ausbildung zum Allgemeinchirurgen hat er an der Panafrikanischen Akademie genossen.

Mit Stolz zeigt er mir „sein“, ein kleines, lebhaftes Spital mit – für afrikanische Verhältnisse – ungewohnt vielen luft- und lichtdurchfluteten Räumen.

Bei vielen medizinischen Geräten verweist er auf die Beschaffung durch Fokus Madagaskar. Beeindruckt war ich auch von der sehr ordentlich aufgeräumten Apotheke.

Dass in so unglaublich kurzer Zeit von nur 9 Monaten ein Spital zum Laufen gebracht wurde und wir aus der Schweiz massgeblich dazu beitragen konnten, dass das medizinische Material auch angekommen ist und im Einsatz funktioniert, erfüllt mich mit Stolz und Freude.

Ich fühle, dass es sich lohnt, hier am Ball zu bleiben.

Im Gespräch kommt Dr. Fabruce rasch auf die ungenügende medizinische Versorgung in diesem Land zu sprechen. Die Anstrengungen der Regierung zur Linderung dieses Notstandes erachtet er als ungenügend. Er sei daher froh, über medizinisches Material, Spenden und Interessenten, welche Mittragen helfen. Nur so könne das Spital unterhalten und weiter ausgebaut und entwickelt werden.

In seinen Träumen tauche ein Spital auf, welches irgendwann als eine Ausbildungsstätte für Mediziner dienen wird.

Im gleichen Atemzug zeigt er sich besorgt, dass die Last für den Betrieb auf so wenigen tragenden Schultern ruht.
In Thomas Beck sieht er, seiner grossen Erfahrung wegen, den Garanten für eine qualitativ hochstehende Medizin. Diese sei, gerade in Afrikanischen Ländern oft ungenügend. Er schätze bei Thomas dessen Bereitschaft und seine Fähigkeit sehr, sein umfangreiches Wissen an das Personal weiterzugeben!

Ich habe Dr. Fabruce gefragt, was er mir und den Leuten in der Schweiz mitgeben möchte:
„Zuerst ein grosses Merci für all die Hilfe, die Unterstützung, das Beachten und Anerkennen! Was er gegen innen wie aussen als wichtig erachte und ihm ein grosses Anliegen sei, so seine Botschaft, sei der „respektvolle, würdige Umgang mit den Patienten, den Menschen“.

Besuch einer Aussenstation von Mercy Ministries

Mit Damian, einem hier wohnhaften Schweizer, durfte ich einen Aussenposten der Organisation Mercy Ministries besuchen. Damian koordiniert alle Stationen in der Umgebung von Toamasina und Thomas ist der verantwortliche Arzt. Sie sind als Erstanlaufstellen für Gesundheitsvorsorge und bei medizinischen Fragen gedacht.

Diese Stationen werden regelmässig durch Thomas und das durch ihn geschulte Team betreut und sind zum Teil nur per Boot oder durch tagelange Fussmärsche erreichbar. Der weiteste Posten liegt rund 100 km entfernt.
Onette hat uns herzlich in Alltagskleidung empfangen und dann rasch ihren überaus weissen Kittel angezogen.

Mir scheint, dass sie hiermit um mindestens 10 cm gewachsen ist! Ihr Posten, wie ein Zauberhaus im lichten Wald gelegen, ist zum Glück für mich nur 30 Minuten von der Stadt entfernt und über sehr holprige Wege mit dem Auto zu erreichen.

Im Innenraum, sehr sauber und aufgeräumt, stehen ein Tisch und eine Liege. An den Wänden hängen überall Poster und Zeichnungen mit medizinischen Informationen.

Mercy Ministries Madagaskar betreut Projekte im Gesundheitswesen. Diese zielen darauf ab, den lokalen Dorfgemeinschaften zu helfen, eigene kleine medizinische Kliniken in den abgelegenen ländlichen Gebieten um Toamasina (Tamatave) zu errichten, welche nur erschwert Zugang zu medizinischer Soforthilfe haben. Die Projekte umfassen die Ausbildung von medizinischem Fachpersonal vor Ort, die Entwicklung lokaler Gesundheitskomitees und die Unterstützung der örtlichen Gemeinde beim Bau der Kliniken. Sie sind so konzipiert, dass sie selbsttragend sind.

Onette wurde im Trainingscenter der Organisation über einige Wochen ausgebildet und profitiert von regelmässigen Weiterbildungen.

Sie ist in ihrer Aufgabe hauptsächlich für Kleinkinder bis 5 Jahren zuständig zur Behandlung der 5 häufigsten zum Tode führenden Krankheiten: Malaria, Atemwegserkrankungen, Durchfall, Lungenentzündung und Mangelernährung.

Zudem erteilt sie Ratschläge bezüglich Hygiene und Ernährung, zieht Holzsplitter aus den Füssen und behandelt kleine Wunden.

Ihre Kunden und Patienten zahlen hierfür ein kleines Entgelt, welches dann ihr zusteht. Diese Station wird von ihr an den Wochentagen jeden Nachmittag über mehrere Stunden betreut.
Damian erzählt mir, dass es recht schwierig sei, für dieses Projekt fähige Leute zu rekrutieren und sie durch die Ausbildung bis zum erfolgreichen Abschluss zu führen. Hierfür seien nebst einer hohen Motivation, Selbstdisziplin und einer Schulbildung auch Fähigkeiten wie Buchführung Voraussetzung.

Unser Interview wurde dann zügig beendet…!

Zwei junge Frauen mit ihren Säuglingen stehen vor der Tür. Schliesslich ist der Kunde König und Prioritäten müssen gesetzt werden. Richtig so!

Noch eine kleine Randnotiz: Onette wohnt in der näheren Umgebung. Ihr Arbeitsweg, welchen sie täglich zu Fuss zurücklegt, beträgt rund 10 km. Dieser Umstand sei für sie und die Madagassen in den abgelegenen Gebieten normal.

Fischprojekt Tilapia

Rund 7000 Landwirte in Madagaskar betreiben die Tilapia-Zucht um der Landbevölkerung eine regel- mässige Proteinversorgung zu ermöglichen.


Die Nonprofit-Organisation MIDEM, deren Direktor Naina ist, bringt in der Region Toamasina in zwei Trainingscentren den Bauern in mehrwöchigen Kursen alles zur Fischaufzucht und Pflege, dem Anlagebau, aber auch zur Vermarktung bei.

Ziel sei, dass hiermit einerseits der Eigenbedarf an Protein gedeckt und andererseits lokale Märkte beliefert werden können und so ein bescheidenes, aber regelmässiges Einkommen generiert werden kann.

Seit dem Jahr 2000 hat MIDEM Schulungen für mehr als 200 Landwirte durchgeführt.
In diesen Kursen werde eine natur-verträglich Tierhaltung vermittelt, so Naina. So werden nur 5 Fische pro m3 Wasser gehalten, um Krankheiten und einer übermässigen Gewässerver-schmutzung vorzubeugen. Somit würden auch keine Antibiotika oder andere Medikamente benötigt, dies im Gegensatz zu unserem Zuchtlachs mit seiner intensiven Bewirtschaftung!

Die extensive Bewirtschaftung bedingt , dass Fischteiche in der Grösse von rund 100 m2 notwendig sind.

MIDEM: Die unabhängige Mission für Entwicklung und Bildung, 2008 gegründet, betreut in Zusammenarbeit mit lokalen Kirchen zahlreiche Projekte in der Region Toamasina (Tamatave). Die Fischzucht wurde 2011 ins Programm aufgenommen.

Dieses Projekt „Tilapia“ erscheint mir ungemein spannend: So beinhaltet es doch Aspekte aus der Landwirtschaft, der Ernährung und der Umwelt, verbunden mit Fragen, welche bei uns momentan auch aktuell thematisiert werden.

Mir scheint, dass uns die Madagassen in diesem Projekt mit der extensiven, nachhaltigen Bewirtschaftung sogar einen Schritt voraus sind!

Tilapia: ein Buntbarsch. Erwachsene Tiere können rund 50 cm lang und bis zu 4 kg schwer werden.

In der Zucht werden sie meist mit 2 kg geerntet. Sie leben am liebsten in warmem Süsswasser und ernähren sich in freier Wild-bahn von Algen und Plankton. Zur Not sind sie «Allesfresser».