Dankbarkeit und Zuversicht
Liebe Freunde und Interessierte von Fokus Madagaskar
Im Februar 2015 sind wir ausgereist, um uns in einem Entwicklungshilfeprojekt in Mandritsara zu engagieren. Wir möchten über die vergangenen zwei ersten Jahre unseres Einsatzes berichten.
Sprache
Tsimihety-Lernen ist weiterhin auf dem Tagesplan
Wörter lernen, Sätze formulieren, Tonaufnahmen abhören, das Gelernte im Alltag umsetzen ist eine Herausforderung – mit Hilfe von Übersetzern und dank viel Geduld der Einheimischen ein wachsender Prozess.
Aktuell sprechen wir auf dem Niveau eines 3-Jährigen, was Wortschatz und Grammatik angeht; bezüglich Aussprache haben uns die Kleinkinder überholt…
Spitalarbeit
Sprechstunden laufen ähnlich ab wie in der Schweiz, ausser dass es keinen Computer gibt. Alles wird von Hand in eine Art «Miuchbüechli» eingeschrieben.
Betreffend diagnostischer Möglichkeiten sind wir hier massiv eingeschränkt. Dank Fokus Madagaskar können wir seit Mai wichtige Laborparameter bestimmen.
Viele der Krankheitsbilder habe ich in der Schweiz kaum angetroffen: Tuberkulose, Syphilis, Lepra, Würmer und Parasitenkrankheiten, Malaria etc
Oft kommen die Menschen auch in späten Stadien, was insbesondere therapeutisch eine grosse Herausforderung darstellt. Aber es ist sehr spannend: Oft blättere ich in Büchern; daneben helfen mir die hier schon länger arbeitenden und erfahrenen Ärzte oder Pfleger in der Auswahl der möglichen Diagnosen und Therapien. Ein Ultraschallgerät ist äusserst hilfreich für nichtinvasive diagnostische Zwecke. Dringend brauchen wir ein zweites Gerät für die Geburtshilfe, insbesondere für Schwangerschaftskontrollen. Wir werden mit Hilfe von Fokus Madagaskar ein Occasionsgerät organisieren.
Dieser Junge leidet an einer bösartigen Geschwulst in der Kieferregion, dem Burkitt-Lymphom. Die Krankheit ist mit einer Chemotherapie, die zum Teil direkt ins Rückenmark gespritzt werden muss, mit 6 Zyklen meist gut heilbar.
Leider sind die Kosten extrem hoch und für Einheimische völlig unerschwinglich. Eine Krankenkasse gibt es nicht. Dank der Unterstützung von Fokus Madagaskar können die Kosten aber zu 95 % übernommen werden (total 300 Fr.)
So bleibt für den Patienten ein erschwinglicher Rest. Aus Erfahrung ist eine angepasste Kostenbeteiligung sinnvoll.
Kaiserschnitte gehören zu den häufigsten notfallmässig notwendigen Operationen.
Generell nimmt die Geburtshilfe eine wichtige Position ein. Daneben gibt es viele andere Eingriffe, die ich dank geduldiger Hilfe der Ärzte und Gastärzte nun zunehmend durchführen kann.
Natürlich gehören auch 1 bis 2 Visiten täglich auf den Stationen zum Alltag, sowie regelmässige, leider sehr anstrengende Nacht- und Wochenenddienste. Da merke ich doch langsam mein fortgeschrittenes Alter!
Besonders stolz waren wir über die Mitarbeit unserer Tochter Andrea als MPA, von Marco als Medizinstudent im 6. Jahr, von René und Christine Stouthandel, Arzt/MPA, von Dieter Neeser, Physiotherapeut, sowie Markus und Christine Wüthrich (Ingenieur und Pflegefachfrau) aus der Schweiz.
Physiotherapie- und Rollstuhlprojekt
Dieter Neeser hat sich im Juli mit viel Herzblut für den Aufbau einer Physiotherapie eingesetzt. Er hat einen Gehbarren und praktische Hilfsmittel für Behinderte, wie Sitzkissen etc. hergestellt und eingesetzt.
Eine englische Physiotherapeutin ist noch ein Jahr hier und versucht, die Physiotherapie zu etablieren
Der Weg ist lang und die Herausforderung gross. Drei ursprünglich ausgewählte, zukünftige Physiotherapeuten haben leider die angefangene Weiterbildung aufgegeben, was einen herben Rückschlag für die Entwicklung bedeutet. Es gilt nun erneut, neue Leute auszubilden und zu motivieren.
Über Monate versuchten wir mit Gesprächen, Tests und praktischen Anwendungen, die Produktion von Rollstühlen und allfällige Reparaturen zu fördern. Schlussendlich unterbrachen wir das Projekt infolge des fehlenden Durchbruchs.
Wir möchten Rollstühle und verschiedenes, dringend notwendiges Material aus der Schweiz importieren. Während unseres Aufenthalts werden wir bei HIOB International in Steffisburg geeignete Ware aussuchen.
Wasserprojekt
Im Spital gibt es zwar Wasserhähnen und Brunnen, jedoch meist aufgrund eines fehlenden Reservoirs kein Wasser.
Die Wasserwerke liefern nur sehr unregelmässig Wasser; oft gibt es tagelang keine Zufuhr
Mit dem Bau eines Wasserreservoirs, finanziert durch Fokus Madagaskar, soll nun die Situation verbessert werden
Die Projektbewilligungsverfahren sind noch hängig. Das definitive Einverständnis, Änderungsvorschläge und Finanzierungsleitlinien obliegen der Spitalleitung und der englischen Trägerstiftung. Markus Wüthrich hat als Bauingenieur während 2 Wochen die Situation vor Ort begutachtet und eine Planung erarbeitet. Er wird – wenn die Bewilligung vorliegt – nächstes Jahr während 8 Wochen die Bauführung übernehmen.
Mikrokredite
Solo wohnt in der Stadt. Er hat einige Reisfelder, die ihm und den 8 Kindern nur ungenügend eine Existenz ermöglichen. So sucht er Arbeit als Tagelöhner, womit er 2 bis 3 Franken pro Tag verdient.
Er hat im September einen Mikrokredit aufgenommen und sich einen Handtraktor mit Anhänger gekauft
Dessen Unterhalt, das Bauen eines Unterstands und die Buchhaltung sind grosse Herausforderungen für ihn. Ich darf ihn dabei unterstützen. Er hilft mir geduldig in der Sprache und nimmt mich mit zu madagassischen Freunden. So profitieren wir beide!
Mikrokredite: Fokus Madagaskar finanziert durch Spenden Mikrokredite und bezahlt einem lokalen madagassischen gemeinnützigen Verein die Kreditsumme. Dieser verwaltet die Kredite und berät die Kreditnehmer. Ein individueller Businessplan beinhaltet eine sinnvolle Laufdauer sowie eine Art Zins von 20 % des Gewinns, der zur Unterstützung von Bedürftigen und Armen eingesetzt wird. Die lokale Institution will Armen helfen, weitere Kredite vergeben und die Unabhängigkeit von ausländischer Hilfe ermöglichen. Bisherige Projekte: Dreschmaschine, Enten, Kühe, Velotaxis, Eierhandel, Verkaufswaren.
Armen- und Bedürftigenhilfe
Vorübergehend, teils auch anhaltend, geben wir Reis und alltäglich nötige Dinge wie Seife, Öl, Salz, holzsparende Kohleöfen etc. in Form von Grund- und Ausrüstungspaketen an Menschen ab, die unmöglich selber aktiv werden können – vor allem alte, gebrechliche Menschen.
Schule / Bildung
Förderunterricht: Immer mehr Lehrkräfte fragen für individuelle Unterstützung einzelner Schüler an.
Inzwischen erhielt ich sogar ganz offiziell einen kleinen Raum, sodass ich in Zukunft auch während der Regenzeit am Trockenen sitzen kann!
Stabübergabe im Werken: Kürzlich übernahmen zwei Kolleginnen während meiner Abwesenheit erstmals die Weiterbildung im Werken. Ich hoffe, dass dies während meines Schweiz-Aufenthalts ebenso funktionieren wird. Nach den Osterferien 2017 werde ich das Team wieder tatkräftig unterstützen und ermutigen.
Neu: Flötenunterricht
«Könntest du den Musikunterricht der Schule übernehmen?», wurde ich gefragt. «Ich nicht, aber wir als Lehrerteam zusammen schon», war meine Antwort. Eine riesige Ermutigung war, dass mir der Reba Verlag aus Holland die Bewilligung gab, ihr französisches Lehrmittel kostenlos kopieren zu dürfen. Zusätzlich schenkten sie uns die neuste Auflage des Lehrmittels und 10 Flöten. Unser Sohn Marco brachte alles rechtzeitig auf den Schulbeginn im Oktober mit. Seither unterrichte ich alle 2 Wochen die Lehrer an ihrem freien Mittwochnachmittag.
Wöchentlich werde ich von erwartungsvollen Schülern gefragt: «Wann beginnt der Flötenunterricht?» «Sobald eure Lehrer soweit sind!»
Besonders die Schüler zwischen 11 und 14 Jahren können es kaum erwarten, dass auch sie ein Instrument lernen können. Hier können billige Plastikflöten gekauft werden. Bereits haben wir gebrauchte, gute Schweizer Plastikflöten erhalten, damit auch Kinder aus armen Familien den freiwilligen Unterricht geniessen können.Wir suchen weiterhin gebrauchte, aber noch spielbare Flöten.
Fazit
Manches ist gelungen, einiges weniger; persönlich wurden wir vielfältig herausgefordert. Als Ausländer und wirklich Fremde in dieser afrikanischen Kultur mussten wir wie kleine Kinder die Sprache lernen und die kulturellen Gepflogenheiten und Traditionen erst einmal entdecken. Bei der Arbeit in Schule und im Spital wurde uns immer wieder neu bewusst, dass unsere Vorstellungen und Ideen überdacht und angepasst werden müssen.
Entwicklungshilfe ist eine komplexe Angelegenheit; wir sind herausgefordert, Ideen und Pläne immer wieder kritisch auf ihre Wirkung und Nachhaltigkeit zu überprüfen.
Oft ist eine Beurteilung nur rückwirkend möglich. Wir sind am Lernen! Auf jeden Fall sind wir weiter motiviert und freuen uns jetzt schon auf die geplante Rückkehr nach Madagaskar Ende März 2017.
Ausblick
Ende 2016 werden wir für eine Auszeit bis März 2017 in die Schweiz zurückkehren. Geplant sind Weiterbildung, Infoveranstaltungen, Planung und Vorbereitung des nächsten Einsatzes, Ferien, Zeit für Verwandte, Bekannte, Freunde und Interessierte. Wir können von Freunden eine möblierte Wohnung im Seefeldquartier mieten und freuen uns, im Zentrum von Thun leben zu können.
Wir möchten Euch allen herzlich danken für Euer Mittragen und Mithelfen und besonders für Euer Vertrauen. Es hat uns ermöglicht, die hier beschriebenen und weitere Projekte durchzuführen.
Euch wünschen wir eine besinnliche, fröhliche Weihnachtszeit und Gottes Segen, viel Freude und Spannendes im 2017!
Herzliche Grüsse,
Esther und Thomas Beck
Zu guter Letzt
Habt Ihr gewusst, dass Eure Hilfe vielen Madagassen ein Lächeln ermöglicht? Vielen, vielen Dank!