10 Jahre Fokus Madagaska

Mitte August 2024 jährte sich die Vereinsgründung zum 10.Mal. Wir feierten dieses Jubiläum einen Monat früher in
Anwesenheit von Thomas und Esther Beck. Wir berichten über diesen Anlass und geben einen kurzen Rückblick über unsere Tätigkeit, verbunden mit einigen (selbst)kritischen Anmerkungen.In diesen 10 Jahren konnten wir mithelfen die Infrastruktur von 2 Spitälern in Madagaskar zu verbessern. Im aktuell unterstützten Spital BHC (Bethany Hospital Center) in Tamatave stehen momentan keine grösseren Projekte an, aber der Unterhalt und Ersatz der Infrastruktur erfordert ebenfalls erheblichen personellen und finanziellen Aufwand. Thomas berichtet über den nagenden «Zahn der Zeit», welcher aus verschiedenen Gründen schneller nagt, als in unserem westlichen Umfeld.In meinem letzten urzeinsatz im September konnte ich feststellen, dass sich Esther und Thomas täglich mit Herzblut für die lokale Bevölkerung einsetzen. Als Verein und mit ihrer Hilfe möchten wir das Spital und die vom Ehepaar Beck begleiteten Projekte weiterhin unterstützen.

René Stouthandel

 

Konsolidation

Rost an Mobiliar und Geräten

Nachdem in den letzten 5 Jahren viele Finanzen in Neuanschaffungen und den Ausbau der Infrastruktur investiert wurden (ein letzter Meilenstein war der Aufbau eines modernen Endoskopie Raums) geht es nun in den nächsten Jahren vorerst in eine Konsolidationsphase.

Das erfolgreiche Betreiben eines Krankenhauses ist komplex. Dazu gehören die Administration, Lohnverwaltung, Buchhaltung, Organisation der logistischen Abläufe, Materialverwaltung mit rechtzeitigen Bestellungen von Medikamenten und Verbrauchsmaterial etc. Weitere Schwierigkeiten treten auf  beim Unterhalt der zum Teil empfindlichen, teuren und komplexen Geräte mit einfachen Werkzeugen  und wenig ausgebildeten Fachleuten, dazu fehlenden Hotlines bei Schwierigkeiten, falls Geräte nicht funktionieren, etc.

O2-Konzentrator

Das Klima mit 80 Prozent Luftfeuchtigkeit und Temperaturen zwischen 22 und 36 Grad, salziger und staubiger Luft, häufigen Stromausfällen und Spannungsschwankungen im Netz lassen all die verschiedenen elektrischen Geräte rosten und machen sie defektanfällig. Deshalb muss auch einiges neu ersetzt werden. Ein Beispiel sind die Sauerstoffkonzentratoren. Während der Corona Zeit sind diese fast 24h pro Tag gelaufen, auch jetzt im Spitalalltag sind sie entscheidend für die Sauerstoffversorgung unserer Notfallpatienten. Durch die Alterung nimmt die mögliche Sauerstoffkonzentration stetig ab und wir müssen mittlerweile mehrere Geräte parallel einsetzen, um eine genügende Sauerstoffkonzentration für einen Patienten zu erreichen. Eine Neuanschaffung ist nun notwendig.

Das Personal wechselt ebenfalls häufig. Immer wieder müssen neue Mitarbeiter angestellt werden, ausgebildet und eingeführt werden. Bei nunmehr 70 Mitarbeitern bedeutet dies eine aufwändige Arbeit alle zu coachen und zu kontrollieren. Zusätzlich müssen wir auch gewissen Mitarbeitern kündigen, welche die Leistung anders als erwartet erbringen oder unsere Vorgaben nicht umsetzen. Zum Teil haben sich auch negative Routinen eingeschlichen, die es zu überwinden gilt. Die kulturellen Besonderheiten, wie Konflikte angesprochen und gelöst werden, sind herausfordernd.

Ziel bleibt es, langfristig eine gute Qualität des Krankenhauses zu erreichen und zu erhalten. Wir werden versuchen so oft wie möglich Ersatzteile oder wenn nötig neues Material für das Spital zu finden. In der näheren Zukunft verwenden wir deshalb die vorhandenen Finanzen für eine Vielzahl von Reparatur- und Ersatz-Projekten, die den Bedürfnissen des Spitales entsprechen.

 

 

10 Jahre Fokus Madagaskar: Lessons learned

Am 22.6.2024 konnten wir das Jubiläum mit einem Festanlass würdigen, an dem rund 100 Besucher teilnahmen. Zwischen den 4 Vorträgen zur Vereinstätigkeit, Medizin, Kultur in Madagaskar und einem Reisebericht bestand die Gelegenheit sich mit Crêpes und Kuchen zu verpflegen und sich mit Esther und Thomas zu unterhalten.
In den 10 Vereinsjahren konnten wir rund 830’000 Fr. in verschiedenste Projekte investieren und mehrere Container mit benötigtem Infrastrukturmaterial versenden. Daneben wurden unzählige Stunden freiwillige Arbeit in der Schweiz oder in einem Einsatz in Madagaskar (30 Personen) geleistet. Allerdings haben wir auch schwierige Erfahrungen gemacht und wurden mit kulturellen Unterschieden konfrontiert, von denen ich einige erwähnen möchte.

Entwicklungszusammenarbeit statt Entwicklungshilfe: fortlaufende Abklärung der lokalen Bedürfnisse als Grundlage zur Unterstützung.
Anfangs half ich selber mit Arztpraxen zu räumen und gemäss meiner Ansicht brauchbares Material zu sammeln. Doch was nützt ein EKG Gerät , wenn kein Papiernachschub mehr möglich ist ? Was passiert mit elektronischen Geräten, die offensichtlich am Ende der Lebensdauer sind und bald nicht mehr funtktionieren. Soll man wirklich abgelaufende Medikamente oder Medikamente , für die keine Indikation vor Ort besteht, weiterleiten? Aktuell hat ein Freiwilligenteam von Mercy Ships geholfen das Warenlager zu triagieren und unbrauchbare Medikamente (mit koreanischer Beschriftung, keine Lieferung aus der Schweiz) zu entsorgen.

 

Projekte: die Idee Kleinkredite zu verteilen und ein eigenes Business mit einfacher Buchhaltung aufzubauen, begeisterte uns. Die Implementierung war schwieriger als erwartet: hoher Kontrollaufwand, ungenügende Buchhaltung und neidische Reaktionen in der Umgebung führten zum Abbruch.
Pünktlichkeit: diese Schweizer Tugend kann kaum umgesetzt werden. Am Morgen bei Arbeits- oder OP Beginn, an Veranstaltungen wie Weiterbildungen erscheint das Personal oft zu spät wegen Verkehrsverbindungen , die nicht funktionieren oder sozialen Verpflichtungen, die nicht einfach delegiert werden können zB bei kranken Kindern zu Hause.
Kulturelle Verhaltensweisen: Nein zu sagen ist in der madagassischen Gesellschaft schwierig. Lieber wird einer Vereinbarung zugesagt, aber nicht eingehalten.
Persönliche Einsätze: wir erhalten oft Anfragen um einen Kurzeinsatz zu leisten. Dazu sind verschiedene Voraussetzungen nötig um das lokale Personal nicht mit Besuchern zu belasten: Skills, welche direkt vor Ort sinnvoll oder zur Ausbildung des Personals eingesetzt werden können; möglichst Französischkenntnisse um einen Dolmetscher zu sparen. Leider mussten wir schon viele Absagen erteilen.

Unsere Erfahrungen sind natürlich nicht neu, wie der folgende Text zeigt:

Alles ist ganz anders hier—-das ist nicht so wie ich dachte.
Manches ist unerwartet, schöner, schwieriger, einfacher, anderes,.
Manchmal weiss ich nicht, wie ich diese Herausforderung meistern soll.
Oft muss ich gründlich überdenken wie und was ich als nächstes tun soll.
Öfters werden meine Erwartungen und Vorstellungen nicht so erfüllt wie ich dachte;
und dies verunsichert.
So oft staune ich und kann so viel von den Menschen und ihrer Kultur lernen.
(aus “Alles ist ganz anders hier” -Schweizer Auswanderberichte des 18. Und 19. Jahrhunderts, Hrsg.Leo Schelbert und Hedwig Rappolt)

Das Buch «When helping hurts» (von Steve Corbett und Brian Fikkert 2009, Wenn helfen weh tut: Armut lindern ohne die Armen und sich selbst zu verletzten) hilft uns die kulturellen Unterschiede besser zu würdigen. Insbesondere versuchen wir in Zukunft die lokalen Bedürfnisse noch besser zu erkennen und umzusetzen.

René Stouthandel

Die Geschichte von Fankie

Mein Text erzählt die Geschichte von Frankie, der wochenlang im Hopital Bethany lag und den ich bei meinem letzten Besuch in Madagaskar kennenlernen durfte. Eine kleine Beinwunde, die aufgrund finanzieller Einschränkungen nicht rechtzeitig behandelt wurde, führte bei ihm zu Komplikationen und schließlich zur Amputation seines Beines.
Stets hast du, Frankie, bei unseren Visiten (Esther Geng, meine Dolmetscherin, war mit dabei) auf deinem Bett gesessen. Dies ohne Buch, Zeitung oder gar Laptop; du hast einfach, in dir ruhend, dagesessen. Wir Männer haben uns, beide etwa im gleichen Alter, jeweils gegenseitig mit einem knappen „bonjour monsieur“ begrüsst. Ein tiefgründiges Männergespräch, zumal wir durch eine halbe Weltreise getrennt und in Bezug auf Gesundheit und finanzielle Möglichkeiten kaum gegensätzlicher waren, hat sich zwischen uns auch nach Tagen nicht ergeben. Vielfach hat uns ein gegenseitiges „Oui, ça va“ genügt. Damit war für uns alles klar, die Sache geregelt. Wie gerne hätte ich, im Rückblick betrachtet, mehr aus deinem Leben, von deinen Träumen und deinen Weisheiten erfahren.
Mit der jungen Esther Geng hast du hingegen sofort Kontakt gefunden. Mit ihr hast du über den kürzlichen Tod deiner Frau gesprochen und von deinen Sorgen bezüglich der finanziellen Belastung durch den langen Spitalaufenthalt erzählt. Du hast mit ihr Fragen nach dem Sinn des Lebens in deiner neuen Situation erörtert.
Ja, deinem Sohn durfte ich auch begegnen: Er hat sich in vorbildlicher und liebenswerter Weise aufrichtig um dich gekümmert. Er ist, wie in Madagaskar vielfach üblich, mehrmals am Tag bei dir am Spitalbett gesessen, hat dir stets das Essen und neue Kleider gebracht, die Wäsche mitgenommen, dir bei der Körperpflege geholfen und auch den Nachttopf geleert! Durch die intensive zeitliche Beanspruchung hat er jedoch seine Arbeitsstelle verloren.
Frankie, zusammen haben wir das Aufstehen und das Laufen an Gehstöcken trainiert, um dich auf die Heimkehr in die Wohnung deines Sohnes vorzubereiten. Dass du einer leeren Wohnung ohne Perspektive wenig abgewinnen konntest, habe ich indessen nicht erahnt.Und trotzdem warst du, so meine und hoffentlich auch deine Ansicht, ein wenig stolz, als du die Treppe zur Direktorenwohnung, die steilste Treppe überhaupt und erst noch in die höchste Spitaletage, erklimmen konntest! Klar, ich habe dir das Treppensteigen auch vorgemacht, aber mit meiner beruflichen Erfahrung, einem zweiten gesunden Bein für den Notfall und einer Unfallversicherung im Hintergrund hüpft es sich leichter!
Lebhaft in Erinnerung geblieben ist mir, dass du in deiner Liebenswürdigkeit stets für ein Gespräch oder eine Therapieeinheit zu motivieren warst, du bereitwillig und gebetsmühlenartig mein rudimentäres Französisch korrigiert hast und all meine Therapieideen in meiner westlichen Hektik ertragen hast. Dies immer bis zu dem Punkt, an dem dir dein Sohn dein Essen gebracht hat. Dann hast du dich ausschliesslich deinem geliebten „weissen Reis mit etwas Gemüse“ oder zur Abwechslung „Gemüse mit viel weissem Reis“ gewidmet.
Wie ich kürzlich erfahren musste, hat sich die Infektion nach unserer Abreise wieder ausgebreitet und du bist letztlich daran gestorben. Bei deinem letzten Spitalaufenthalt hättest du mehrmals nach uns gefragt.
Es tut mir leid, dass wir nicht da waren.

Von Herzen: Danke dir, Frankie!

Dieter Neeser, Vorstandsmitglied, Physiotherapeut

 


Vorankündigung: ordentliche Mitgliederversammlung

Freitag 28.März 2025 um 19.30 Uhr im Restaurant Burehuus, Thun

Herzliche Einladung für Vereinsmitglieder und Interessenten

 


Impressum / Kontakt

Herausgeber                    Verein Fokus Madagaskar, 3600 Thun |

Kontakt Madagaskar    beck.madagaskar@gmail.com

Lektorat, Layout            René Stouthandel, stouthandel@bluewin.ch

Spendenkonto                 Raiffeisenbank Gürbe, Kto. 30-4423-9, 3123 Belp
zugunsten Fokus Madagaskar, 3600 Thun, IBAN CH59 8080 8007 6594 2022 7